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Zum Thema Arbeitsrecht
- Handynutzender Busfahrer: Lebenslanges Fahrverbot durch marktbeherrschendes Unternehmen ist unverhältnismäßig
- Unmobiles Mobilgerät? Arbeitgeber darf nicht auf feste Montage des Betriebsratslaptops bestehen
- Verletzung der Aufsichtspflicht: Beschaffenheit eines Einkaufswagens verbietet es, Fünfjährige allein damit rangieren zu lassen
- Weisungsrecht des Arbeitgebers: Bei der Bestimmung von Arbeitsbekleidung bleibt der Betriebsrat außen vor
- Zustimmung des Betriebsrats ersetzt: Über Teilzeitverkäuferinnen, Wunsch nach Mehrarbeit und Neueinstellung auf 20-Stunden-Basis
Dass Betriebsräte ein Stein im Schuh der Arbeitgeber sein können, nicken sicher auch Arbeitnehmer ab. Denn die Interessen von Arbeitgebern und -nehmern laufen naturgemäß oft zuwider. Deshalb aber zu versuchen, dem Betriebsrat das (Arbeits-)Leben schikanös zu erschweren, fällt oft auf die Arbeitgeber selbst zurück. So wie im Fall des Landesarbeitsgerichts Köln (LAG): Der zugrundeliegende Streit war nicht nur bereits im Kern unsinnig - er führte auch dazu, dass der Arbeitgeber letztlich das gesamte Verfahren zu zahlen hatte.
Der Betriebsrat hatte in einem Verfahren einen Beschluss des Arbeitsgerichts (ArbG) erwirkt, wonach ihm ein funktionsfähiger Laptop zur Verfügung zu stellen ist. Die Filialdirektorin der Arbeitgeberin erklärte daraufhin dem Betriebsratsvorsitzenden, sie händige den Laptop nur unter der Voraussetzung aus, dass man ihr sage, wo sie diesen befestigen könne. Die Arbeitgeberin meinte nämlich, mit der Verpflichtung zur Überlassung eines Laptops sei nicht der standortunabhängige Einsatz verbunden. Zudem habe sie ein Interesse daran, den Laptop durch die Befestigung vor Verlust oder Beschädigung zu sichern. Der Betriebsrat wollte daraufhin die Entscheidung des ArbG durch eine Zwangsvollstreckung umsetzen. Dagegen wiederum zog die Arbeitgeberin vor die Gerichte.
Das LAG entschied, dass die Überlassung eines Laptops unter der Bedingung, diesen im Betriebsratsbüro zu befestigen, den Anspruch des Betriebsrats nicht erfülle. Ein Laptop ist per Definition nämlich ein Mobilgerät - und damit eben auch standortunabhängig verwendbar. Eine Befestigung würde damit der definitionsgemäßen Verwendungsmöglichkeit entgegenstehen. Und schließlich gehöre der pflegsame Umgang mit überlassenen Sachmitteln zu den Rücksichtnahmepflichten des Betriebsrats nach dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit. Anhaltspunkte dafür, dass die Besorgnis berechtigt sei, der Betriebsrat würde dem nicht entsprechen, bestanden nicht.
Hinweis: Ein Arbeitgeber, der verpflichtet ist, seinem Betriebsrat ein Laptop zur Verfügung zu stellen, kommt dieser Verpflichtung nicht nach, wenn er auf der festen Montage des Geräts besteht. Anhand dieses Falls ist gut erkennbar, dass Streitigkeiten zwischen Betriebsleitung und Betriebsrat auch übertrieben werden können.
Quelle: LAG Köln, Beschl. v. 05.06.2023 - 5 Ta 26/23
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(aus: Ausgabe 10/2023)
Vor dem Arbeitsgericht Suhl (ArbG) standen sich ein Arbeitgeber und dessen Betriebsrat gegenüber. Grund war eine Anordnung des Arbeitgebers über Arbeitskleidung. Dabei wurde hier noch nicht einmal vorgeschrieben, welche Bekleidung genau zu tragen sei, sondern vielmehr, welche nicht.
Nach Übernahme durch einen Konkurrenten hing der Arbeitgeber im Betrieb ein Schreiben aus, dass das Tragen der alten Arbeitskleidung mit dem Logo des vorigen Unternehmens oder mit Logos anderer Arbeitgeber nicht mehr gestattet sei. Dagegen beantragte der Betriebsrat den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Er war der Ansicht, dass die Aushänge ein Eingriff in sein Mitbestimmungsrecht seien. Das Tragen von Arbeitskleidung unterfiele schließlich der Mitbestimmungspflicht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 Betriebsverfassungsgesetz. Die Ordnung und das Verhalten im Betrieb seien betroffen.
Das sah das ArbG allerdings anders. Dem Betriebsrat stand weder ein Verfügungsanspruch noch ein Verfügungsgrund zur Seite. Zudem waren keine wesentlichen Nachteile erkennbar, die eine Eilentscheidung gerechtfertigt hätten. Zunächst hatte der Betriebsrat nicht schnell genug reagiert. Er hatte einen Monat abgewartet - und das ist für ein einstweiliges Verfahren in aller Regel zu lang. Und auch inhaltlich sah das Gericht es anders als der Betriebsrat. Der Arbeitgeber ist berechtigt, Regelungen zu erlassen, die das Verhalten der Beschäftigten im Betrieb beeinflussen und koordinieren sollen. Das ergibt sich aus dem sogenannten Weisungsrecht aus § 106 Gewerbeordnung. Die Anweisung, Arbeitsbekleidung mit firmenfremdem Logo nicht tragen zu dürfen, betrifft nicht das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer und ist deshalb nicht mitbestimmungspflichtig. Das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer ist nur dann berührt, wenn die Maßnahme des Arbeitgebers auf die Gestaltung des kollektiven Miteinanders oder die Gewährung und Aufrechterhaltung der vorgegebenen Ordnung des Betriebs zielt.
Hinweis: Arbeitgeber dürfen das Tragen von Arbeitskleidung mit Logos anderer Arbeitgeber auf dem Betriebsgelände ohne Beteiligung des Betriebsrats verbieten.
Quelle: ArbG Suhl, Beschl. v. 27.07.2023 - 4 BVGa 2/23
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(aus: Ausgabe 10/2023)
Dieser Fall hat natürlich auch seine Relevanz im Verkehrsrecht. Dennoch ist der arbeitsrechtliche Aspekt hier auschlaggebend. Denn es war eine Verkehrsgesellschaft, die einem Busfahrer, der durch einen Subunternehmer angestellt war, eine lebenslange Sperre erteilt hat, die natürlich eine Kündigung nach sich zog. Nun war es am Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG), diese weitreichenden Folgen mit der Ordnungswidrigkeit der Handynutzung am Steuer abzuwägen.
Der Busfahrer war bei einem privaten Busunternehmen angestellt, das seinerseits wiederum als Subunternehmerin für eine GmbH tätig war, die ihrerseits von einer städtischen Verkehrsgesellschaft beauftragt worden war. Der Busfahrer war auf einer der Linien der Verkehrsgesellschaft gefahren. Ein Fahrgast hatte ihn bei der Handynutzung während der Fahrt gefilmt und die Verkehrsgesellschaft darüber informiert. Diese sperrte den Busfahrer für die Zukunft auf allen ihren Linien. Das als Subunternehmen tätige Busunternehmen kündigte daraufhin dem Busfahrer aufgrund der Sperre fristlos das Arbeitsverhältnis. Gegen die lebenslange Sperre klagte nun der Busfahrer: Die Verkehrsgesellschaft missbrauche durch die zeitlich unbefristete Sperre ihre Marktmacht. Er würde in erreichbarer Entfernung von seinem Wohnort keine Anstellung mehr als Busfahrer im Liniennahverkehr finden. Die Verkehrsgesellschaft würde als marktbeherrschendes Unternehmen fast das gesamte Nahverkehrsbusnetz betreiben. Und selbst die Straßenverkehrsordnung sähe allenfalls ein Fahrverbot im schlimmsten Fall von maximal drei Monaten vor.
Auch das OLG ging von einem Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung aus und sah die lebenslange Sperre als nicht gerechtfertigt an. Auch, wenn die Benutzung eines Handys während der Fahrt einen erheblichen Verkehrs- und Pflichtenverstoß darstellt, war die Sperre unverhältnismäßig - und damit unzulässig.
Hinweis: Natürlich dürfen gerade Busfahrer am Steuer kein Handy benutzen. Trotzdem hat der Arbeitgeber auch auf solche Vorfälle mit der gebotenen Verhältnismäßigkeit zu reagieren.
Quelle: OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.08.2023 - VI-6 U 1/23 (Kart)
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(aus: Ausgabe 10/2023)
Wann Arbeitgeber Bitten um Aufstockung der Arbeitszeit von Teilzeitkräften zu beachten haben, zeigt dieser Fall des Arbeitsgerichts Mannheim (ArbG). Dabei geht es einmal mehr um ein Anrecht, das in der Praxis viel zu oft scheitert, weil eine geäußerte Bitte zu oft mit einem konkreten Angebot verwechselt wird. Und dass beides auch im Arbeitsrecht eben nicht gleichzusetzen ist, zeigt auch das entsprechend getroffene Urteil.
In einem Einzelhandelsunternehmen gab es verschiedene Teilzeitmodelle. Sechs der Teilzeitverkäuferinnen beantragten beim Arbeitgeber eine Erhöhung ihrer wöchentlichen Arbeitszeit. Das Aufstockungsvolumen sollte bei einer Mitarbeiterin 15 Stunden pro Woche betragen, bei vier Mitarbeiterinnen jeweils zehn Stunden und bei einer Mitarbeiterin fünf Stunden. Statt auch nur einem dieser Wünsche nachzukommen, wollte der Arbeitgeber befristet für ein Jahr eine neue Verkäuferin mit 20 Wochenstunden einstellen. Das rief schließlich den Betriebsrat auf den Plan, der seine Zustimmung zur geplanten Einstellung verweigerte und meinte, der Arbeitgeber hätte zunächst die gewünschten Arbeitszeiterhöhungen vornehmen müssen, bevor er eine neue Teilzeitstelle schafft. Der Arbeitgeber beantragte die Ersetzung der Zustimmung durch das ArbG - und kam damit durch.
Die Einstellung war zulässig, und die Zustimmung des Betriebsrats wurde durch das ArbG ersetzt. Denn bei den Wünschen der Teilzeitmitarbeiterinnen handelte es sich nicht um ein konkretes Vertragsangebot. Es hätte mindestens eine der Mitarbeiterinnen anbieten müssen, auf die neue Stelle zu wechseln oder diese zusätzlich zu ihrem bisherigen Arbeitszeitvolumen zu übernehmen. Weil jedoch keine Mitarbeiterin ein solches Angebot unterbreitet hatte, bestand für den Betriebsrat kein Grund, die Zustimmung zur Neueinstellung zu verweigern.
Hinweis: Wenn eine Teilzeitkraft ihre Arbeitszeit aufstocken möchte, muss der Arbeitgeber den Wunsch mit ihr erörtern, sie über entsprechende freie Arbeitsplätze informieren und bei deren Besetzung bevorzugt berücksichtigen. So steht es in den §§ 7 und 9 Teilzeit- und Befristungsgesetz.
Quelle: ArbG Mannheim, Beschl. v. 28.06.2023 - 2 BV 2/23
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(aus: Ausgabe 10/2023)
In diesem Fall, der bis zum Bundesarbeitsgericht (BAG) ging, war das böse Ende seines Arbeitsverhältnisses für den Arbeitnehmer fast absehbar, da dieser schon des Öfteren seinen Lohn zu spät erhielt. Wie es dann für die Ansprüche von Arbeitnehmern gegen die Geschäftsführer persönlich aussieht, wenn das unternehmerische Kind durch Insolvenz endgültig in den Brunnen gefallen ist, lesen Sie hier.
Ein Arbeitnehmer erhielt - teilweise monatelang - verspätet sein Geld. Deshalb machte er in einem Monat von seinem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch. Er arbeitete nicht, wollte aber trotzdem die Bezahlung von insgesamt 176 Stunden erhalten. Der Arbeitgeber - eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) - zahlte jedoch nicht, sondern meldete einige Monate später Insolvenz an. Nun klagte der Arbeitnehmer gegen die Geschäftsführer. Er wollte für den Monat Juni Geld in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns je Stunde erhalten. Er meinte, dass die Geschäftsführer dafür persönlich haften würden. Denn immerhin sei ein Verstoß gegen das Mindestlohngesetz (MiLoG) eine Ordnungswidrigkeit.
Das sah das BAG anders. Geschäftsführer einer GmbH haften nicht gegenüber den Arbeitnehmern auf Schadensersatz. Denn für eine solche Haftung ist ein sogenanntes Schutzgesetz erforderlich. Das sah das Gericht allerdings im MiLoG im Verhältnis zu den Geschäftsführern der Gesellschaft nicht. Nach der gesetzlichen Wertung ist die Haftung von Geschäftsführern einer GmbH grundsätzlich auf das Verhältnis zur Gesellschaft begrenzt. Außenstehenden Dritten gegenüber haften sie grundsätzlich nicht persönlich.
Hinweis: Für Geschäftsführer ist die Entscheidung des BAG wichtig. Sie haften gerade nicht persönlich gegenüber Arbeitnehmern für unterbliebene Zahlungen des Mindestlohns.
Quelle: BAG, Urt. v. 30.03.2023 - 8 AZR 120/22
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(aus: Ausgabe 10/2023)
Zum Thema Familienrecht
- 3.000 EUR Entschädigung: Folgen der Fremdunterbringung dürfen nicht gravierender sein als der Verbleib bei einem Elternteil
- Haftung für Mindestlohn? Außenstehenden Dritten haften GmbH-Geschäftsführer grundsätzlich nicht persönlich
- Kein Elterngrundrecht für Pflegeeltern: Berechtigter Wechsel der Pflegestelle zum Zweck der besseren Förderung des Kindes
- Rücknahme des Scheidungsantrags: Bei Mutwilligkeit kann Verfahrenskostenhilfe nur noch einschränkend bewilligt werden
- Zunächst wird der Bedarf des Kindes ermittelt. Dabei kommt es auf die Einkommensverhältnisse beider Eltern an: Je mehr die Eltern eines Kindes zusammen verdienen, desto höher ist auch der Unterhaltsbedarf des Kindes.
- In einem nächsten Schritt wird ein pauschaler Abschlag vom Unterhaltsbedarf des Kindes vorgenommen. Dadurch wird dem Umstand Rechnung getragen, dass der mitbetreuende Elternteil in der Mitbetreuungszeit einen Teil des Unterhaltsbedarfs abdeckt.
- Dann wird die relative finanzielle Situation der Eltern betrachtet: Es wird berechnet, inwieweit der mitbetreuende Elternteil für den Unterhaltsbedarf des Kindes verantwortlich wäre, wenn man die Unterhaltslasten allein mit Blick auf die relative Einkommenssituation der Eltern verteilen würde.
- Der im vorigen Schritt ermittelte Wert wird nun angepasst und trägt der Tatsache Rechnung, dass der mitbetreuende Elternteil im asymmetrischen Wechselmodell substantielle Betreuungsleistungen erbringt. Dabei kommt erneut ein pauschalierender (verallgemeinernder) Ansatz zum Tragen. Streit über die exakte Höhe der Betreuungsanteile wird so vermieden.
- Abschließend wird das Kindergeld zwischen den Eltern verrechnet. Das Rechenmodell stellt sicher: Je mehr der mitbetreuende Elternteil im Verhältnis zum hauptbetreuenden Elternteil verdient, desto mehr Unterhalt muss er zahlen. Doch Elternteile, die substantielle Mitbetreuung leisten, müssen im Regelfall weniger zahlen als solche, die nur Freizeitumgang pflegen.
- Vier Jahre lang: Bei verschwiegener Einkommenserhöhung drohen Widerruf von Verfahrenskostenhilfe und Strafsanktionen
Nimmt man einen Scheidungsantrag zurück, womit man das Verfahren beendet (weil der andere Ehegatte selbst keinen Antrag gestellt hatte), und stellt kurz darauf erneut einen Scheidungsantrag, entstehen sowohl bei Gericht als auch beim Rechtsanwalt doppelte Kosten. Wer dabei auf staatliche Verfahrenskostenhilfe (VKH) angewiesen ist, muss gute Gründe haben. Und diese hatte die Frau im Fall des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG) nicht, als sie den Scheidungsantrag im März zurücknahm und im Mai neu beantragte.
Für das erste Verfahren hatte die Frau noch VKH bewilligt bekommen, so dass sie sich für das zweite Verfahren selbiges erhoffte. Dabei machte sie weder eine zwischenzeitliche Versöhnung geltend noch andere gute Gründe für den doppelten Aufwand. Sie hatte ihren Anwalt schriftlich zur Rücknahme des Antrags angewiesen und erst im zweiten Verfahren offengelegt, was ihr Motiv gewesen war: Das Verfahren habe ihr zu lang gedauert, weil ihr Mann trotz Zwangsgeld keine Angaben zum Versorgungsausgleich machte. Dass der Start eines neuen Verfahrens dagegen keine Abhilfe schuf, sei ihr nicht klar gewesen.
Das Amtsgericht wollte ihr daraufhin gar keine VKH bewilligen, weil sie mutwillig Kosten verursacht hatte. Das OLG modifizierte dies zugunsten der Scheidungswilligen und hat die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen: Lediglich auf die erneute Erstattung der Gebühren, die im ersten Verfahren bereits angefallen waren, muss die Frau verzichten. Denn selbst bei Mutwilligkeit darf die VKH nicht vollständig verweigert werden. Sie müsse dann - lediglich mit Ausnahme der bereits entstandenen und aus der Staatskasse verauslagten Rechtsanwaltsgebühren sowie der bereits entstandenen allgemeinen Verfahrensgebühr des Gerichts - der bedürftigen Antragstellerin bewilligt werden.
Hinweis: Es kann taktische Gründe geben, ein bereits laufendes Scheidungsverfahren durch Antragsrücknahme zu beenden und ein neues Verfahren einzuleiten - solange der Gegner keinen eigenen Scheidungsantrag stellt. Eine solche Rücknahme (gepaart mit neuem Antrag) hat in der Regel mit dem güterrechtlichen Endstichtag zu tun, weil der andere zum Beispiel zwischenzeitlich einen Lottogewinn gemacht hat. Falls sich abzeichnet, dass die Ehe demnächst durch Tod endet, kann auch das ein wirtschaftliches Argument sein (Witwenversorgung, Erbrecht). Aber auch eine Rücknahme, durch die sich die örtliche Zuständigkeit ändert, kann erwünscht sein.
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 19.07.2023 - 6 WF 86/23
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(aus: Ausgabe 10/2023)
Wer "arm im Sinne des Gesetzes" ist, kann Verfahrenskostenhilfe (VKH) bewilligt bekommen. Dazu gehört auch eine Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse, und das bis vier Jahre nach Verfahrensabschluss. Wem VKH (auch Prozesskostenhilfe) bewilligt wurde, muss in dieser Zeit unaufgefordert mitteilen, wenn sich die wirtschaftliche Situation verbessert hat. Ein Unterlassen kann zur Aufhebung der Bewilligung und Rückforderung führen - wo wir beim Kernpunkt des folgenden Falls sind, den das Oberlandesgericht Dresden (OLG) zu entscheiden hatte.
Einer Mutter, deren einziges Einkommen Elterngeld war und die in einen Umgangsstreit vor Gericht verwickelt war, wurde VKH zugestanden. Nach dem Verfahren war sie dann auch wieder berufstätig geworden und bezog dadurch deutlich höhere Einkünfte als das Elterngeld - allerdings immer noch so wenig, dass sie weiterhin "arm" war. Dennoch entzog das Amtsgericht ihr die bewilligte VKH und forderte über 3.000 EUR - und zwar als Sanktion dafür, dass sie die Einkommenserhöhung nicht unaufgefordert mitgeteilt hatte.
Das Gericht kann die Bewilligung der VKH aufheben, wenn der Beteiligte dem Gericht wesentliche Verbesserungen seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtig oder nicht unverzüglich mitgeteilt hat. Bezieht er ein laufendes monatliches Einkommen, ist eine Einkommensverbesserung nur wesentlich, wenn die Differenz zu dem bisher zugrunde gelegten Bruttoeinkommen nicht nur einmalig 100 EUR übersteigt. Dies gilt entsprechend, wenn abzugsfähige Belastungen entfallen. Es stand daher die Frage im Raum, ob durch die Einkommenserhöhung von "100 EUR monatlich mehr" die Bedürftigkeitsvoraussetzungen entfallen. Das OLG erläuterte, dass diese Rechtsfrage durchaus uneinheitlich beantwortet wird, und stellte sich daraufhin auf die Seite der Frau. In den Augen des OLG könnten vom Gesetzgeber nur verschwiegene Einkommenserhöhungen, mit denen man aus der Armutsgrenze herauskommt, gemeint gewesen sein. Und über diese Schwelle ist die Frau hier leider noch nicht gegangen.
Hinweis: Die Mitteilungspflichten gehen aus dem Kleingedruckten im Formular hervor, das der VKH-Antragsteller ausfüllen und unterschreiben muss. Die Erfahrung zeigt allerdings, dass diese Hinweise selten gelesen werden. In den meisten Bewilligungsbeschlüssen zur VKH wird der Hinweis auf diese Pflicht auch nicht wiederholt.
Quelle: OLG Dresden, Urt. v. 14.08.2023 - 18 WF 203/23
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(aus: Ausgabe 10/2023)
Im Fall des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG) ging es um einen Sechsjährigen, der Opfer des Trennungsstreits seiner Eltern wurde. Der Vater bezichtigte die Mutter der Kindesmisshandlung, das Jugendamt brachte den Jungen ins Heim, von wo aus er vier Monate später zurück zur Mutter kam und später durch Entscheidung des Familiengerichts zum Vater wechselte. Hatte das Jugendamt ein Kind zu Unrecht aus dem Haushalt seiner Eltern in Obhut genommen, und kann dem Kind Schmerzensgeld zugesprochen werden? Lesen Sie selbst.
Das OLG stellte zunächst fest, dass das Jugendamt erst einmal korrekt auf die Informationen durch den Vater reagiert habe, die dieser durch ein ärztliches Attest belegen konnte. Die anfängliche Inobhutnahme habe keine schuldhafte Amtspflichtverletzung dargestellt, sondern diente der Klärung und Beruhigung der Situation. Insbesondere sei nicht feststellbar, dass das Jugendamt den Sachverhalt unzureichend ermittelt oder durch eine fehlerhafte Antragstellung die gerichtliche Entscheidung maßgeblich beeinflusst habe. Obwohl es bis hierhin nichts zu beanstanden gab, kommt hier das große und entscheidende "Aber!": Das Jugendamt hätte den Jungen nicht so lange im Heim belassen dürfen.
Kindern, die in einen hochkonflikthaften Streit zwischen den Elternteilen hineingezogen werden, sei nicht damit gedient, dass sie außerhalb der Familie untergebracht würden. Die ursprüngliche Herausnahme aus der Familie wäre lediglich als kurzfristige Maßnahme veranlasst gewesen, in deren Verlauf eine Beruhigung eintreten sollte. Eine monatelange Trennung von beiden Eltern habe das Kind dagegen nicht als Entlastung von dem elterlichen Konflikt erleben können, sondern als ungerechtfertigte Folge dessen, dass er sich beim Vater über die Schläge seiner Mutter beschwert habe. Der Gefahr befürchteter Misshandlungen durch die Mutter hätte alternativ dadurch begegnet werden können, dass das Kind bis zur endgültigen Entscheidung über das Sorgerecht bei seinem Vater lebt und dort mit sozialpädagogischer Familienhilfe begleitet wird. Dem Kind wurde daher wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eine Entschädigung von 3.000 EUR zugesprochen. Zudem muss der Jugendamtsträger für künftige Schäden einstehen.
Hinweis: Die Fremdunterbringung eines Kindes aus Anlass eines tiefgreifenden Elternkonflikts ist nur dann gerechtfertigt, wenn der permanente Elternkonflikt das Kindeswohl in hohem Maße und mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet, während das Kind bei einem der beiden Elternteile wohnt. Zu berücksichtigen ist dabei stets der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz: Die Folgen der Fremdunterbringung dürfen für das Kind nicht gravierender sein als die Folgen eines Verbleibs bei einem Elternteil.
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 27.07.2023 - 1 U 6/21
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(aus: Ausgabe 10/2023)
Das Bundesjustizministerium hat im August 2023 ein Eckpunktepapier zur Reform des Unterhaltsrechts vorgelegt. Reformbedarf besteht, weil die bisherige "Düsseldorfer Tabelle" als Normalfall vor Augen hat, dass nach einer Trennung ein Elternteil den Lebensmittelpunkt für die Kinder bietet (bisher klassisch: die Mutter) und der andere nur ein Umgangsrecht ausübt (bisher klassich: der Vater). In den letzten Jahren mehrten sich aber die Fälle, in denen auch nach der Trennung beide Elternteile die Alltagsbetreuung ausüben - sogar bis hin zu einer hälftigen Teilung. Da die Lösungen der Rechtsprechung in diesem sogenannten "asymmetrischen Wechselmodell" uneinheitlich und oft ungerecht sind, will die Politik mit der Reform eine partnerschaftliche Betreuung minderjähriger Kinder fördern und die Betreuungsleistungen beider Eltern angemessen berücksichtigen. Das nun vorliegende Eckpunktepapier soll ein Anfang der Debatte sein.
Mit einem pauschalierenden objektiven Ansatz (Anzahl der Übernachtungen des Kindes beim jeweiligen Elternteil pro Jahr) soll der jeweilige Betreuungsbeitrag berücksichtigt werden. Die vorgeschlagene Berechnungsmethode umfasst mehrere Schritte:
Die vorgeschlagene Reform würde einen Anreiz für Väter setzen, sich mehr in der Betreuung von Kindern zu engagieren. Ein solches stärkeres Engagement von Vätern kann auch für Mütter vorteilhaft sein: Sie sparen dadurch eigene Aufwendungen und haben unter Umständen mehr Freiraum für eigene Erwerbstätigkeit. Als unangenehmer Nebeneffekt wird allerdings erwartet, dass mit jeder weiteren Übernachtung beim Vater Streitigkeiten über die finanziellen Auswirkungen für beide Seiten folgen könnten.
Der neue Gesetzesvorschlag soll ab einem 29%igen Mitbetreuungsanteil greifen. Ab dieser Schwelle (und bis zu einer Betreuungsleistung von knapp unter 50 %) soll von einer Betreuung im asymmetrischen Wechselmodell ausgegangen werden.
Für die anderen Betreuungskonstellationen (Residenz- und Wechselmodell) soll sich an der Verteilung der Unterhaltslasten nichts ändern. Für das symmetrische Wechselmodell wird allerdings eine neue Vertretungsregel vorgeschlagen: Jeder Elternteil soll das Kind im Verfahren vertreten können. Das bisher erforderliche vorgeschaltete Sorgerechtsverfahren würde dann nicht mehr erforderlich sein.
Quelle: www.bmj.de
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(aus: Ausgabe 10/2023)
Wenn ein Pflegekind aus der bestehenden Bindung zur Pflegefamilie herausgerissen wird, stellt sich die Frage, welche Möglichkeiten die ehemaligen Pflegeeltern haben, diese Entscheidung rückgängig zu machen. Das Ehepaar im folgenden Fall wusste sich nicht mehr weiterzuhelfen, als beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Verfassungsbeschwerde einzureichen.
Für mehr als vier Jahre waren Eheleute die Dauerpflegeeltern des Kindes gewesen, nachdem dieses im Alter von sechs Monaten zu ihnen gekommen war. Bei dem Kind zeigten sich Entwicklungsverzögerungen, die auf einen Drogenkonsum seiner leiblichen Mutter während der Schwangerschaft zurückzuführen waren. Sowohl im Kindergarten, wo dem Kind eine 1:1-Betreuung zur Seite gestellt worden war, als auch mit den Pflegeeltern gab es zunehmend Konflikte. Die Vormundin des Kindes und das Jugendamt befürchteten eine Überforderung der Pflegeeltern und brachten das Kind daher bei anderen Pflegeeltern unter, die aufgrund ihrer jeweiligen beruflichen Tätigkeit mit den Störungsbildern solcher Kinder gut vertraut sind. Die Pflegeeltern wehrten sich hiergegen vor den Familiengerichten - letztlich erfolglos. Denn die Gerichte wogen den Bindungsabbruch gegen die fehlende Qualifikation miteinder ab.
Weil diese Abwägungen nachvollziehbar und begründet waren, konnte auch das BVerfG nicht helfen. Auf das Elterngrundrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz können sich Pflegeeltern hierbei nämlich nicht stützen. Das BVerfG hat die Beschwerde daher nicht zur Entscheidung angenommen.
Hinweis: Bei einem Wechsel von einer Pflegefamilie in eine andere kommt es maßgeblich auf das Wohl des Kindes an, nicht auf die Interessen seiner vormaligen Pflegeeltern an ihrer gewachsenen Bindung zum Kind. Dem ließe sich nur durch eine frühzeitige Adoption abhelfen.
Quelle: BVerfG, Urt. v. 28.08.2023 - 1 BvR 1088/23
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(aus: Ausgabe 10/2023)
Zum Thema Sonstiges
- Beitragslöschung im Social Net: Beleidigende - und somit strafbare - Inhalte müssen nicht wiederhergestellt werden
- Fehlender Reisepass: Reisebüro muss wegen mangelnder Aufklärungspflicht keinen Schadensersatz leisten
- Kein Recht auf absolute Stille: Bewegt sich Lärm von Hundespielplatz im gesetzlichen Rahmen, muss er toleriert werden
- Tatsachenbehauptung statt Meinung: Transportschaden als Grund für schlechte Onlinebewertung muss nachgewiesen werden können
Durch offene Grenzen besonders innerhalb der EU kann einiges in Vergessenheit geraten, was nach wie vor im Großteil der Welt auf Reisen gilt. Und das betrifft nicht nur Stromadapter und Geldumtausch - der Reisepass ist nach wie vor ein großes Must-have, wenn einer eine Reise tut. Ob ein Reisebüro eine Hinweispflicht hat, wenn der Reisende einen Reisepass benötigt, musste nun vom Amtsgericht München (AG) beantwortet werden.
Ein Mann hatte für sich und eine Begleiterin beim Reiseunternehmen für 2.200 EUR eine einwöchige Pauschalreise nach Dubai gebucht. Da er keinen gültigen Reisepass besaß, konnte er die Reise nicht antreten. Nun meinte er, das Reisebüro sei daran schuld, weil es ihn nicht darauf hingewiesen hatte, dass er einen gültigen Reisepass benötige. Das Reisebüro hätte ihn nicht über Pass- und Visaerfordernisse oder Fristen zur Erlangung entsprechender Dokumente informiert. Er forderte sein Geld zurück und klagte.
Doch das AG teilte seine Meinung nicht und versagte dem Mann den Anspruch. In Art. 250 § 3 Nr. 6 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB) findet sich zwar die explizite Regelung einer vorvertraglichen Unterrichtungspflicht, wonach der Reiseveranstalter den Reisenden über "allgemeine Pass- und Visumserfordernisse des Bestimmungslandes" einschließlich der ungefähren Fristen für die Erlangung von Visa informieren muss. Der Hinweis auf die allgemeine Notwendigkeit eines gültigen Reisepasses sei von Art. 250 § 3 Nr. 6 EGBGB allerdings nicht umfasst. Denn dabei handelt es sich um eine Selbstverständlichkeit.
Hinweis: Nach Meinung des Richters gibt es also keine Hinweispflicht eines Reisebüros auf die Notwendigkeit eines Reisepasses. Natürlich sollten sich Reisende über die erforderlichen Dokumente im Ausland zuvor informieren. Im Regelfall hilft das Reisebüro dabei - eine Verpflichtung, darauf aktiv hinzuweisen, hat es hingegen nicht.
Quelle: AG München, Urt. v. 12.07.2023 - 171 C 3319/23
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(aus: Ausgabe 10/2023)
So ein Bello kann entzückend sein - wenn er nur so wenig bellt wie möglich. Selbst wer Hunden zugeneigt ist, muss eingestehen, dass mehrere Bellos auf einem Haufen eine Menge (lauten) Spaß haben können, auch auf Kosten zweibeiniger Mitbürger. Wie viel Lärm nun Anwohner durch einen Hundespielplatz genau ertragen müssen, musste das Verwaltungsgericht Berlin (VG) klären.
Ein Bürgerverein betrieb einen Hundespielplatz, den die Stadt eingerichtet, umzäunt und mit einem abschließbaren Tor versehen hatte. Von Montag bis Samstag (8 bis 20 Uhr) sowie an Sonn- und Feiertagen (8 bis 13 sowie 15 bis 20 Uhr) konnten dort Hunde spielen. Eine Tatsache, die eine Anwohnerin als unzumutbar empfand. Sie klagte gegen den Platz und wandte ein, dass die Lärmbelästigung unzumutbar sei. Das Hundegebell verursache Stress und störe ihre Konzentrationsfähigkeit - an Entspannung oder gar Schlaf sei in den nutzungsintensiven Phasen selbst bei geschlossenen Fenstern nicht zu denken.
Das mochte zwar sein, aber das VG sah darin keinen Grund, an den gegebenen Regelungen etwas zu ändern. Der durch einen Hundespielplatz in einem Wohngebiet verursachte Lärm sei von Anwohnern hinzunehmen, sofern er sich im Rahmen geltender Immissionsrichtwerte bewege. Und eben jene Richtwerte wurden eingehalten. Ebenso zu berücksichtigen sei, das es sich hierbei um zwar wiederkehrenden, aber keinesfalls ununterbrochenen Lärm handle.
Hinweis: Gegen das Urteil kann noch Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt werden. Vieles spricht jedoch dafür, dass das Urteil richtig ist. Nachbarn haben eben kein Recht auf absolute Stille. Fragen im Einzelfall klärt der Rechtsanwalt des Vertrauens.
Quelle: VG Berlin, Urt. v. 09.06.2023 - VG 24 K 148.19
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(aus: Ausgabe 10/2023)
Bewertungen in Onlineportalen sind heute deshalb absolut üblich, weil sich Konsumenten für Erfahrungen anderer mit einem Produkt, das sie nicht anfassen können, vor dem Kauf ebenso interessieren wie zu Dienstleistungen, bei denen schon zu Offline-Zeiten immer die "gute Empfehlung" zählte. Umso wichtiger ist es dann auch, dass Empfehlungen oder auch Kritiken auf realen Erfahrungen basieren. Und das bedeutete auch im Fall des Landgerichts Frankenthal (LG): Sie müssen objektiv nachweisbar sein.
Ein Mann hatte ein Umzugsunternehmen beauftragt. Später bewertete er auf einer Online-Bewertungsplattform das Unternehmen mit nur einem von fünf möglichen Sternen. Unter anderem hatte er behauptet, dass ein Möbelstück beim Transport beschädigt worden sei und sich niemand darum gekümmert habe, den Schaden zu beheben. Das wollte das Umzugsunternehmen nicht auf sich sitzen lassen und klagte. Es stritt ab, dass es überhaupt zu einem Schaden gekommen sei, und legte eine Unterlassungsklage ein.
Die negative Äußerung des Kunden in dem Onlinebewertungsportal schade dem Inhaber des Umzugsunternehmens. Dem stünde zwar das Recht des Kunden gegenüber, seine Meinung über den durchgeführten Auftrag in der Bewertung frei äußern zu dürfen. Die im Streit stehende Behauptung, es sei ein Möbelstück beschädigt worden, ist jedoch keine Meinung, sondern eine Tatsachenbehauptung. Eine solche muss aber nur hingenommen werden, wenn der Wahrheitsgehalt der Äußerung feststeht. Deshalb muss derjenige, der in Internetbewertungen eine Tatsache behauptet, im Streitfall beweisen, dass diese auch zutreffend ist. Dies war dem Kunden des Umzugsunternehmens jedoch nicht gelungen. Deshalb gab das LG der Unterlassungsklage statt.
Hinweis: Wer eine negative Bewertung in einem Onlineportal hinterlässt, sollte sich vorher genau überlegen, was er postet. So lässt sich eine Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten sicherlich vermeiden.
Quelle: LG Frankenthal, Urt. v. 22.05.2023 - 6 O 18/23
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(aus: Ausgabe 10/2023)
Ein befriedigendes Sättigungsgefühl reicht schon, um in einen leicht trägen Entspannungsmodus zu verfallen. Wenn man dann noch zu dem ein oder anderen alkoholischen Feierabendgetränk verführt wird, scheint es nur logisch, dass gerade in Gaststätten eine erhöhte Sorgfaltspflicht für die Betreiber besteht. Dass diese aber nicht für alles haftbar gemacht werden können, das Gäste zu Fall bringt, zeigt der Fall des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG).
Eine Gaststätte verfügte über eine Terrasse im Außenbereich, deren Boden mit Natursteinen im Polygonalverfahren ausgestattet war. In den Zwischenräumen der Steine befand sich Beton. Der Steinbelag wies daher gewisse Unebenheiten und Fugen auf. So kam es dann auch, wie es kommen musste, um hier davon zu lesen: Auf dem Rückweg von der Toilette zu seinem Tisch verletzte sich ein Gast. Er nahm daraufhin den Gastwirt auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch und behauptete, sich beim Sturz unter anderem sechs Zähne ausgeschlagen zu haben.
Das Problem war, dass der verunfallte Gast auch gegenüber dem OLG verschwieg, wie es genau zu dem Sturz kam. Hinzu trat die richterliche Auffassung, dass ein Gast nicht mit einer vollständig ebenen Fläche rechnen muss, wenn die betreffende Terrasse einen rustikalen, mediterranen Eindruck vermittelt. Gastwirte sind nicht verpflichtet, einen gänzlich gefahrfreien Zustand der begehbaren Fläche herzustellen. Gäste müssen ihren Gang vielmehr den erkennbaren Bedingungen der Örtlichkeiten anpassen.
Hinweis: Der verletzte Gast hätte hier sicherlich mehr zur Ursache des Sturzes vortragen müssen. Trotzdem zeigt das Urteil sehr gut, welche Grenzen die Sorgfaltspflicht hat.
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 18.07.2023 - 11 U 33/23
zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 10/2023)